Mütter in der Kommunalpolitik

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Viele Gruppen sind in der Politik unterrepräsentiert. Von der Bundespolitik bis in die Kommunalpolitik ist der Durchschnitt der Repräsentant*innen weiß, männlich und 50+. Die GRÜNEN versuchen das Verhältnis mit Frauenquote und Vielfaltsstatut anzupassen, doch das „gewählt werden“ ist nicht das einzige Problem, vor dem nicht-weiße, nicht-männliche, jüngere Personen in der Politik stehen. Eine Gruppe, auf die man besonderes Augenmerk legen sollte, sind junge Mütter. Was sind die Gründe dafür, dass nur wenige junge Mütter den Weg in die (Kommunal-) Parlamente finden?

Je nach Position in der Fraktion, Mitgliedschaft in Ausschüssen und weiteren Gremien, ist der Zeitaufwand für ein kommunalpolitisches Amt unterschiedlich hoch – in manchen Städten geht es fast in Richtung Vollzeitjob. Vor- und Nachbereitung von Rats- und Ausschusssitzung, Termine mit Verantwortlichen, Sitzungen – das alles machen Rats- und Ausschussmitglieder ehrenamtlich, meist neben einem Teil- oder sogar Vollzeitjob.
Frauen stellen in den kommunalen Vertretungen mit durchschnittlich 27,7 % die Minderheit. In Mülheim sind es mit 31 % etwas mehr. Dem gesellschaftlichen Anteil entspricht die Quote aber auch hier nicht. Verschiedene Gründe spielen bei dieser fehlenden Repräsentanz eine Rolle.

Der Zeitaufwand an sich ist ein Faktor, weshalb Frauen und junge Mütter seltener in die Kommunalpolitik gehen. Fehlende Flexibilität, Digitalisierung und Rückzugsorte gehören mit dazu.Sitzungen liegen meistens im Nachmittagsbereich. Dadurch werden zwar möglichst wenige Jobs beeinträchtigt, für Mütter jüngerer Kinder ist das dann aber oft die Zeit, in der der Nachwuchs gefüttert oder ins Bett gebracht werden muss. Als Alleinerziehende ist ein Kommunalmandat aufgrund des Arbeitspensums so gut wie unmöglich zu stemmen. Doch auch mit Partner*in kann es schwierig sein. Partner*innen müssen mitziehen und die gleiche Flexibilität an den Tag legen, wenn Sondersitzungen angesetzt werden oder spontan wichtige Termine reinflattern. Vereinbarkeit von kommunalpolitischem Ehrenamt, Beruf und Familie betrifft nicht nur die Person mit dem Mandat, sondern die ganze Familie. Aufteilung der Betreuung des Nachwuchses und der sogenannten Care-Arbeit sind dabei essenziell. „Da lernt man, für das, was einem wichtig ist, zu kämpfen. Weder Kind, noch Partner waren begeistert über mein Engagement“, sagt Farina Nagel, die für die Grünen seit 2020 im Rat sitzt.

Fallen Termine in den Vormittagsbereich, ist es mit dem Job nicht zu vereinbaren, da das Nachholen der dann fehlenden Stunden das Familienleben beeinträchtigt. Für Kommunalpolitiker*innen (und auch Land- und Bundestagsabgeordnete) gibt es keinen Mutterschutz. In Ratssitzungen und auch in der Bezirksvertretung darf sie niemand vertreten, sodass ihr Ausfall beispielsweise bei knappen Mehrheiten für Abstimmungen zu Problemen führen kann. Die Teilnahme von Kleinkindern ist aus vielen Gründen schwierig. Stillpausen für Mütter mit Babys gibt es nicht. Schon alleine der Ort für eine Stillpause fehlt. Farina Nagel erinnert sich: „Als ich in den Rat gewählt wurde, war meine Tochter gerade ein halbes Jahr alt. Da kam ich ganz schön ins Schwitzen, wenn die Sitzungen bis in den späten Abend dauerten.“

Sitzungen (Rat, Ausschuss, Fraktion) dauern oft lange. Hier können eine begrenzte Redezeit, eine straffe Sitzungsleitung und generell kürzer geplante Sitzungen Abhilfe schaffen.Die Coronapandemie hat gezeigt, welche Vorteile digitales oder hybrides Arbeiten bringen. Auch für die Kommunalpolitik liegen die Vorteile auf der Hand. Man spart Fahrzeiten, kann in der Nähe des Kindes bleiben und über Kopfhörer an Diskussionen teilnehmen, während man gleichzeitig kocht oder die Wäsche macht. „Anders würde ich viel weniger mitbekommen. Sich aktiv an Diskussionen zu beteiligen, ist nach wie vor schwierig – es geht halt doch nicht alles gleichzeitig – aber von Seiten unserer Fraktion empfinde ich es als großes Entgegenkommen und Erleichterung“, sagt auch Fraktionsvorsitzende Franziska Krumwiede-Steiner. Die GRÜNE Fraktion tagt mit Fraktion und Arbeitskreisen hybrid. Ein Videokonferenzsystem ist eingerichtet und bis auf bei Personenwahlen, die geheim und in Präsenz durchgeführt werden müssen, können sich die digital zugeschalteten an allen Tagesordnungspunkten beteiligen. Allerdings dürften laut Krumwiede-Steiner digitale Angebote nicht über Hand nehmen. Besonders kleine Kinder hätten wenig Verständnis für Videokonferenzen.

Es ist wichtig, dass Mütter in den entscheidenden Gremien sitzen und dort auch willkommen sind. Sie sind ein Teil der Gesellschaft, der viel unentgeltliche Arbeit leistet. Oft wird dies nicht anerkannt. In den Parlamenten, in der Verwaltung, in Ausschüssen müssen mehr Mütter sitzen. Wer die Lebensrealität von Müttern kennt, kann Vereinbarkeit voranbringen und unterstützen, Lösungsideen für Probleme entwickeln, Verständnis für die Situation von Müttern jüngerer Kinder aufbringen und im Dialog bleiben. Es ist Aufgabe der Fraktionen und der Verwaltung, Mütter bei der Ausübung eines Mandates zu unterstützen und auf die besonderen Bedürfnisse Mütter jüngerer Kinder flexibel zu reagieren.