Etatrede 2017

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
heute ist ein besonderer Tag und das in mehrfacher Hinsicht. Ich darf mich heute als Erster und gleichzeitig auch zum letzten Mal bei Ihnen, Herr Bonan, im Namen der Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen bedanken. Dies ist der letzte Haushalt, den Sie als Kämmerer der Stadt aufgestellt und zusammen mit der Mülheimer Politik zu verantworten haben. Ich möchte Ihnen danken für die vielen Jahre guter Zusammenarbeit, des harten Ringens um Lösungen für die Finanzprobleme der Stadt. Oftmals war es zäh und hat von allen Seiten viel Geduld und auch Kraft abverlangt. Ich möchte Ihnen schon an dieser Stelle alles Gute für Ihre neuen Aufgaben wünschen und hoffe, dass Sie den Interessen Mülheims in Ihrem neuen Wirkungskreis eine starke Stimme verleihen werden.
Selbstverständlich gilt unser Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die auch in diesem Jahr eine Menge Arbeit im Zusammenhang mit der Aufstellung des Haushalts 2017 hatten.
Besonders ist dieser Tag aber auch, weil wir mit der Verabschiedung des Haushalts die Weichen für die Teilnahme am Stärkungspakt NRW stellen können. Und ich sage „können“, denn wie mir scheint, ist nicht vollkommen klar, ob am Ende die Mehrheit dieses Hauses sich verantwortlich zeigt und diese Entscheidung mittragen wird.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat für Kommunen, die sich in absoluter finanzieller Notlage befinden, die Möglichkeit eröffnet, über eine Solidaritätsumlage finanzkräftiger Städte zusätzliche Mittel zu erhalten. Der sogenannte Stärkungspakt hat mehrere Stufen. In der Vergangenheit wurde Mülheim, obwohl schon lange überschuldet, nicht in die Reihen derer aufgenommen, die von den Konsolidierungshilfen profitierten. Ab 2017 sieht es allerdings anders aus. Wir erhalten die einmalige Chance, bis zum Jahr 2020 zusätzlich 160 Millionen Euro an Unterstützungszahlungen zu erhalten. Die zusätzlichen Mittel sind keineswegs ein Freibrief, Geld zu verschwenden sondern ganz im Gegenteil die Verpflichtung der Politik, eine stringente und schlüssige Sparpolitik zu verfolgen, die in 2020 zu einem ausgeglichenen Haushalt führen muss.
Wir Grüne sprachen im Vorfeld der Ratssitzung von einer heute zu treffenden stadthistorischen Entscheidung. Ist das nicht ein wenig übertrieben? Nein, sage ich, es geht um die nach jetzigem Kenntnisstand sehr realistische Perspektive, 2020 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können. Und das ist stadthistorisch, weil wir uns seit den frühen Achtziger Jahren daran gewöhnt haben, nahezu jedes Jahr ein Defizit zu produzieren, das den Schuldenberg erneut vergrößert.
Wer den Stärkungspakt als nicht so wichtig abtut, sollte mal in die Nachbarstädte schauen. Und dann muss er oder sie erkennen, dass Städte wie Gelsenkirchen und Herne, die von den sozioökonomischen Strukturen her weit hinter Mülheim liegen, mittlerweile bessere Haushaltsdaten haben, als wir sie vorweisen können. Sie profitieren von der Teilnahme an vorherigen Stärkungspaktstufen. Mülheim hingegen liegt bei der Zunahme der Pro-Kopf-Verschuldung ruhrgebietsweit ganz vorne. Die Nachbarstadt Essen, auch Stärkungspaktkommune, kann sich diesjährig gar über ein leichtes Plus freuen.
Dies sollte uns Ansporn sein, wo wir denn leider die ersten beiden Stufen verpasst haben, die jetzt gebotene Chance beherzt beim Schopfe zu greifen. Dazu brauchen wir einen soliden, genehmigungsfähigen Haushalt. Der aber ist ohne eine maßvolle Steuererhöhung nun einmal nicht zu bekommen.

Wir als Mülheimerinnen und Mülheimer haben keinen Grund, auf dem hohen Ross zu sitzen. Verpassen wir diese Chance, das sage ich schon jetzt voraus, machen wir die Stadt landesweit zum Gespött. Wer das will, muss gegen den vorliegenden Etatentwurf stimmen. Wem unser Mülheim nicht egal ist, wer Perspektiven für unsere Stadt, ihre Bürgerinnen und Bürger will, muss zustimmen.

Ich darf zitieren:
Drucksache Nr.: A 11/0977-01

Die Fraktionen von CDU und SPD bekennen sich zu Ihrer Verantwortung, die finanzielle Lage der Stadt zu stabilisieren und sie für die Zukunft zu verbessern.

Hierzu ist der mit dem Doppelhaushalt 2010/2011 beschlossene Haushaltskonsolidierungsprozess konsequent fortzusetzen.

Aus dem Gutachten der Prof. Junkernheinrich und Lenk geht eindeutig hervor, dass auch Mülheim an der Ruhr objektiv nicht in der Lage ist, ohne Unterstützung von Bund und Land, einen Haushaltsausgleich zu erreichen. Daher wird neben dem Bund auch die NRW- Landesregierung aufgefordert, mindestens die 138 NRW-Nothaushaltskommunen ab 2012 entsprechend finanziell zu unterstützen und den Stärkungspakt Stadtfinanzen analog des Vorschlags des Aktionsbündnisses „Raus aus den Schulden“ auszuweiten. Es kann nicht sein, dass lediglich 34 überschuldeten oder von Überschuldung bedrohten Städten geholfen wird, und die übrigen 104 „aus dem Boot fallen und ertrinken“. Das bedeutet kommunale/politische Perspektivlosigkeit!

Wir erwarten daher, dass es im nächsten Jahr eine weitere Gesetzesinitiative der Landesregierung geben wird, die tatsächlich den Not leidenden Kommunen hilft.

Deshalb bleibt es dabei, dass der „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ weiterhin ab 2016ff. in der Fortführung des Haushaltssicherungskonzeptes als wesentliche Maßnahme enthalten ist.

Weiter heißt es:
Das dem Rat der Stadt vorliegende und fortgeschriebene Haushaltssicherungskonzept 2012ff. wird grundsätzlich wie vorliegend beschlossen.
Es wird klargestellt, dass eine Anhebung der Steuerhebesätze nur in Frage kommt, wenn die Stadt Mülheim an der Ruhr ausreichende „Finanzhilfen“ aus dem Stärkungspakt Stadtfinanzen erhält. Dies ist eine unabweisbare Voraussetzung.

Zitat Ende!

Diese Voraussetzung, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir heute schaffen, aber nur, wenn auch ein genehmigungsfähiger Haushalt zustande kommt.
Wenn wir keinen verabschiedet bekommen, fallen alle freiwilligen Leistungen unter die Verfügbarkeit der Aufsichtsbehörde, sinken die Standards bei Kundenbetreuung und Serviceleistungen der Stadt. Steigen die Steuern um ein vielfaches mehr als das, was wir für notwendig erachten. Damit träte ein, was wir alle nicht wollen. Was wir alle verhindern müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns einen Blick darauf werfen, wo es Gemeinsamkeiten gibt:
Wie eben dargelegt, sind wir auf die Hilfen des Stärkungspaktes angewiesen, wenn wir die Notlage unserer Stadt überwinden wollen.
Hierzu hat die Stadtverwaltung einen Vorschlag unterbreitet, welcher Weg beschritten werden kann, um den Haushaltsausgleich zu schaffen. Jetzt müssen wir entscheiden ob wir diesen mitgehen, ihn abändern oder uns verweigern. Vielleicht weil wir uns vor der Entscheidung drücken, uns in der Verweigerungshaltung gefallen, oder vielleicht schon vorgezogenen Wahlkampf betreiben?
Ich bin der Meinung, diese Stadt hat Besseres verdient und glaube, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, mehrheitlich auch so denken.
Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion,
Sie setzen mit ihrem Antrag zum Haushalt vollumfänglich auf Streichung von Personalstellen insbesondere im Bereich der Geflüchteten. Dies, weil sie der Auffassung sind, dass wir nur das zwingend Notwendigste tun müssen, um die Aufwendungen klein zu halten. Weil Sie glauben, dass alle Kosten zur Betreuung von Geflüchteten von Bund und Land übernommen werden sollen.
Ja, im Augenblick geht die Anzahl der Menschen zurück, die Schutz bei uns suchen, weil sie in ihren Heimatländern vertrieben, verfolgt, vergewaltigt oder ermordet würden.
Aber wir alle wissen, die Krisenherde dieser Welt sind nicht weniger, sondern mehr geworden und es kann jederzeit zu einem Anstieg der Anzahl der Menschen kommen, die uns um Hilfe bitten.
Wir sollten, nein, wir müssen diesen Menschen adäquate Hilfe zukommen lassen. Das sage ich als Grüner, aber ich glaube auch, dass dies ganz im Sinne eines christlichen Menschenbildes ist und auch ihre Zustimmung erfahren müsste, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU. Hierzu braucht es aber nun einmal Personal in der Verwaltung, um eine funktionsfähige Infrastruktur aufrechterhalten zu können.
Wir sind Ihnen mit der Reduzierung um acht Stellen im genannten Bereich zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion weit entgegen gekommen. Mit unserem Vorschlag tun wir genau das, was Sie fordern. Wir setzen nur das zwingend Notwendigste um, was im Moment gebraucht wird. Ihr Antrag hingegen rasiert das Personaltableau, bürdet den verbliebenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern untragbare Lasten auf und überfordert das System.
Sie wollen, dass die zu uns kommenden Menschen die Chance erhalten, integriert zu werden. Das wollen wir auch. Dafür braucht es aber Personal. Daher kann Ihr Antrag nicht umgesetzt werden und das wissen Sie auch!
Außerdem bitte ich Sie, die Verantwortung für die Auswirkungen der Gesetze zu übernehmen, die Ihre Parteifreundinnen und –freunde im Bund beschließen.
Die Bundesregierung hat das Prostituiertenschutzgesetz verabschiedet und die Kommunen werden es umsetzen müssen. Auch hierfür wird Personal benötigt. Die Verantwortung für die Auswirkungen des Gesetzes tragen auch Sie, liebe Mülheimer CDU-Fraktion. Und ich appelliere an Sie, auch hier in der Kommune Verantwortung zu übernehmen.

SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben sich zu einem Kompromissvorschlag durchgerungen. Er umfasst die Streichung besagter acht Stellen in der Flüchtlingsbetreuung, einer weiteren Stelle in der Stadtkanzlei sowie die Prüfung auf den Verzicht weiterer Stellen im Umfang von 150.000 Euro jährlich im Stellenplan. Dazu stehen wir auch weiterhin. Hinzu gekommen wäre der Verzicht auf die Hälfte der von der CDU für 2017 einst selbst mitprojektierten Erhöhung der Grundsteuer.

Weil Sie, meine Damen und Herren von der CDU, sich aber mangels Kompromissbereitschaft selbst dazu nicht bereit zeigen, ist es unumgänglich, zwecks Haushaltsausgleich und Mehrheitsfindung die Gewerbesteuer um fünf Prozentpunkte zu erhöhen.

Dies ist eine gute Grundlage, um unser aller Anliegen gerecht zu berücksichtigen.
100 Prozent reine Lehre sollte an dieser Stelle niemand vertreten, denn es geht um die Stadt und nicht um unsere Egoismen. Es ist nicht die Zeit für politische Macht- und Ränkespiele. Dafür ist die Lage viel zu ernst. 1,7 Milliarden Euro Schulden lasten auf unserer Stadt.
Goethe hat mal gesagt „Entscheide lieber ungefähr richtig als genau falsch.“
Genau das sollten wir gemeinsam tun.
Mit unserem Haushaltbegleitbeschluss wollen wir trotz schwieriger Rahmenbedingungen unsere Handlungsfähigkeit erhalten.
Wir wollen weiterhin eine soziale und familienfreundliche Stadt bleiben und halten daher die Elternbeiträge im Kita- und OGS-Bereich stabil.
Man kann nur schützen, was man kennt. Nach diesem Motto leistet die Lernwerkstatt Natur seit Jahren einen wichtigen Beitrag zum Natur- und Umweltschutz. Wir wollen sie erhalten. Auch darin sind wir mehrheitlich einer Meinung.
Die Umwelt ergründen und erleben kann man am besten im Freien. Mülheim hat eine ganze Reihe an Spielplätzen und Spielgeräten. Leider sind einige davon defekt. Das wollen wir ändern und entsprechende Mittel im Haushalt einstellen.
Die Kommunalpolitik kann das Rad und vielleicht auch das Auto nicht neu erfinden, aber den Wandel zur Elektromobilität gestalten und beschleunigen. Daher soll es für Elektro- und Hybrid-Fahrzeuge kostenfreie Parkflächen im Stadtgebiet geben.
Für Elektromobilität braucht es Strom, am besten von einem Versorger in städtischer Hand, der die Wertschöpfung da belässt, wo sie hingehört, nämlich hier in Mülheim Ruhr. Weil es uns aus finanziellen Gründen nicht gelungen ist, die medl bis zum Jahresende zu rekommunalisieren, wollen wir zumindest die Voraussetzung dafür schaffen, dass dies spätestens im Jahr 2036 gelingen kann.
Eine Stadt ist nur so lebenswert, wie ihre Bürgerinnen und Bürger sie machen. Die tragende Säule hierzu ist das bürgerschaftliche Engagement. Wichtige Anlaufstelle ist das Centrum für bürgerschaftliches Engagement, das wir auch langfristig erhalten und unterstützen wollen.
Der eben schon erwähnte Landschafts- und Umweltschutz ist nur so gut, wie er auch durchgesetzt werden kann. Hierzu benötigen die Landschaftswächterinnen und –wächter mehr Unterstützung vom Ordnungsamt. Deshalb wir dort eine Kraft ausweisen, die sich gegen Vermüllung, im Naturschutzgebiet frei herumlaufende Hunde und andere Natur- und Erholungsqualität mindernde Widrigkeiten kümmert. Der Naturschutz und viele Bürgerinnen und Bürger werden uns danken.

Die Förderung unserer hiesigen Wirtschaft ist ohne Zweifel ein wichtiges, Anliegen, ich denke von uns allen. Mülheim & Business ist ein nicht wegzudenkender Makler zur Unterstützung und Ansiedlung zukunftsfähiger Betriebe. Dazu stehen wir. Wir benötigen jedoch auch die Unterstützung der Wirtschaft, um dauerhaft Institutionen dieser Art finanzieren zu können. Sie profitiert von solchen Einrichtungen. Deshalb wollen wir sie in die Finanzierung der Gesellschaft miteinbeziehen.

Scheitert der Haushalt, liebe Kolleginnen und Kollegen, scheitern wir alle!

Für den kommenden Etatentwurf wünschen wir uns in der verschriftlichten Darstellung mehr Transparenz. Der vorliegende ist ein vom Umfang her erschlagendes Kompendium. Seine für die Politik zur Entscheidungsfindung relevante Informationsdichte fällt teils aber eher dürftig aus.
Wir meinen: Bei allen zu tätigenden Investitionen muss zu jeder Zeit erkennbar bleiben, auf welche Beschlüsse sie zurückzuführen sind. Entscheidungen, die in städtischen Aufsichtsräten gefällt werden, finden im Haushalt Niederschlag. Daher müssen sie auch deutlich gekennzeichnet werden.
In schwierigen Zeiten den Kopf in den Sand stecken – das kann jeder. Deshalb sollten wir jetzt das Gegenteil tun.
Wir Grüne haben unsere Beteiligung am Haushalt immer an die Bedingung geknüpft, dass er Instrumente enthält, die unsere notleidende, aber schöne Stadt noch lebens- und liebenswerter machen. Wir brauchen einen städtischen Etat, der notwendige Investitionen bereithält, um unsere Zukunft zu sichern, der vor allem die Perspektive beinhaltet, eines Tages ausgeglichen zu sein.
Diese Perspektive eröffnet sich mit der Möglichkeit zur Teilnahme am Stärkungspakt. Daher bitten und werben wir um Ihr Ja zum Haushalt.
Die Fraktion von Bündnis 90 /Die Grünen stimmt dem vorliegenden Haushalt zu.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich bedanke mich fürs Zuhören, wünsche Ihnen frohe Weihnachten und alles Gute für das kommende Jahr!